C D s
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NEUES
AUS
DER
MUSIKWELT
JAZZ
THINK OF TWO
Ttaumton/Indigo CD
(68')
Wer in mysteriöse musikalische
Welten abtaucht, kann leicht da-
rin verloren gehen. Eine Gefahr, die
das mit einem Instrumente-Arsenal
bestens ausgestattete Trio um den
Pianisten David Helbock gelassen
zur Kenntnis nimmt. Als Einstieg
wählen sie Themen von Thelonious
Monk und des brasilianischen Mul-
tiinstrumentalisten Hermeto Pas-
coal. Letztgenannter war von Hel-
bocks ausgeflippter, zwischen Jazz,
Weltmusik und Pop-Avantgarde
changierender Ideenflut und der
seiner Kompagnons derart ange-
tan, dass er eigens für diese CD
ein Originalstück von sich zur Ver-
fügung stellte.
G.F.
MUSIK ★
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KLANG ★
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Joris Roelofs
ALIENS DELIBERATING
Pirouet CD
(44’)
Jeder Bassklarinettist im Jazz muss
sich immer noch an Eric Dolphy
messen lassen. Da schneidet Joris
Roelofs gut ab, denn er adaptiert
die Bop-Nervosität und präsentiert
sie in ganzer Dringlichkeit. Ande-
rerseits gibt er sich schmeichelnd
mit vollem Ton und mitunter sogar
leicht tänzelnd. Zur Seite stehen ihm
Drummer Ted Poor mit schleppend
rauer Spielweise und der gefragte
Bassist Matt Penman. Konsequent
ohne Harmonieinstrument musizie-
ren sich die drei durch Ellingtons
„Sophisticated Lady“, Lee Konitz’
„Kary’s Trance“ und jede Menge Ei-
genes und vertrauen dabei ganz auf
die Strahlkraft ihres Musizierens. Zu
Recht!
T.U.
Joachim Kühn & Alexey Kruglov
DUO ART: MOSCOW
B illy H art Q u a rte t
ONE IS THE OTHER
Act/Edel CD
(58')
ECM/Universal CD
PH
Für neue Begegnungen ist Joachim
Kühn, der dieser Tage 70 wird, im-
mer zu haben. In Moskau lernte
der Pianist den jungen Avantgar-
disten Alexey Kruglov kennen - und
ging gleich mit ihm ins Studio. Je-
der brachte drei Stücke mit, da-
zu kamen zwei Nummern von Or-
nette Coleman. Multiinstrumenta-
list Kruglov spielt Altsax, montiert
nicht, wie sonst gerne, das Mund-
stück ab. Doch auch auf die „kon-
ventionelle“ Art reicht seine Aus-
druckspalette vom leisen Flüstern
bis zum wilden Schrei. Anfangs be-
gleitet Kühn nur, doch bald geht’s
ab ins Freie, es groovt, es explo-
diert. Zwei großartige Improvisa-
toren haben sich gefunden.
klm
MUSIK
KLANG ★
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“
'
Wie eine Band im Laufe der Zeit
an Ausdrucksstarke gewinnt und
gleichzeitig ein neue Identität be-
kommt, zeigt sich bei den aktuel-
len Aufnahmen des Billy Hart Quar-
tet. Unter dieser Bezeichnung er-
schien bereits 2005 das Debütal-
bum der Gruppe auf dem amerika-
nischen Label High Note. Damals
beindruckte der Drummer mit ei-
ner stilistisch im Hardbop-Genre
angesiedelten Session. Dazu pass-
ten die rauen Sounds, die Mark
Turner seinem Tenorsax entlock-
te ebenso gut wie die unorthodo-
xen Piano-Motive, mit denen Ethan
Iverson auch die Gruppe „The Bad
Plus“ aufmischt. Bis rund sechs
Jahre später „All Our Reasons“ auf
ECM veröffentlicht wurde, war vom
Billy Hart Quartet nichts zu ver-
nehmen.
Was sich bereits auf dem Vor-
gänger andeutete, erreicht nun auf
„One Is The Other“ ein höheres Le-
vel. Bis auf den Standard „Some En-
chanted Evening“ stammen alle The-
men von der Band, die sich zu ei-
ner komplexen Einheit ergänzt. Be-
reits nach wenigen Takten des ers-
ten Titels entfaltet sich die gewachse-
ne Gruppendynamik. Nach dem coo-
len, in dunkle Töne geformten Pia-
no-Intro von „Lennies Groove“ be-
sticht Mark Turner mit fantasievollen
Chorussen, die auch in den oberen
Registern seines Instruments nichts
von ihrer Flexibilität einbüßen. Wie
virtuos Billy Hart sein Drum-Set für
die Kreation subtiler Beats einsetzt,
wird speziell in seiner Komposition
„Amethyst“ veranschaulicht. Die Idyl-
le, die das Thema ausstrahlt, wird
durch Harts Polyrhythmen
kont-
rastiert. Für kurze Momente nähern
sich der Saxofonist und der Pia-
nist den verheißungsvollen Regio-
nen des Free Jazz, um in den nach-
folgenden Improvisationen noch en-
gagierter ihre Vorstellung von ak-
tuellem Modern Jazz zu realisieren.
Gerd Filtgen
MUSIK ★
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Andrew L itto n
A TRIBUTE TO OSCAR PETERSON
Bis/KC SACD
(54')
Bugge W esseltoft
OK WORLD
Jazzland/Universal CD
(62')
In Andrew Littons Elternhaus er-
tönte rund um die Uhr klassische
Musik. Als der Sechzehnjährige
erstm alig eine Platte von Oscar
Peterson hörte, wurde er zum Fan
des kanadischen Piano-Virtuo-
sen. Später machte
Litton
in
der Klassik als Pianist und Diri-
gent Karriere. Für eine Oscar-Pe-
terson-Hommage wählte er Stü-
cke, die dieser auf diversen So-
loalben veröffentlichte. Das Er-
gebnis ist ernüchternd. Vergleicht
man Littons Version von „A Child
Is Born“ mit der auf Petersons
„Tracks“-Album, wird deutlich,
dass perfekte Pianistik nicht unbe-
dingt mit Jazzfeeling einhergeht.
G.F.
Nach diversen Solo- und Duoalben
in den letzten Jahren kommt der
norwegische Pianist, der Jazz und
elektronische Musik zu faszinie-
rend reduktionistischen Klangper-
len zu verbinden versteht, mal wie-
der mit einem Bandprojekt. Der Ti-
tel „OK World“ ist so programma-
tisch wie der von Wesseltofts un-
vergessener „New Conception Of
Jazz“: World Music steht an, und sie
ist auch ganz o.k. Sechs Musiker/
Sänger aus sechs Ländern schaffen
eine indisch-arabisch-afrikanische
Melange aus Gesang und Percus-
sion, durchsetzt mit Flamencogi-
tarre und Jazzklavier. Das pluckert
gemächlich vor sich hin, ohne Pro-
fil zu gewinnen.
klm
Catherine Russell
BRING IT BACK,
BRING IT BACK
Jazz Village/HM CD_____________________(48]
Nostalgie muss nicht unbedingt
in das Dilemma musealer Verklä-
rung ausufern. Catherine Russell,
die mit ihrer Band durch die Musik
der 1920er und -30er Jahre streift,
demonstriert das auf famose Art:
Durch ihren emotionalen Gesang
klingen Blues („You Got To Swing
And Sw ay“), Oldtime-Jazz („The
Darktown Strutter’s B all“) und
Swing („Lucille“ - ein Stück ihres
Vaters Luis Russell) taufrisch. So
engagiert wie die Vokalistin über-
trägt auch ihre Gruppe die stilis-
tischen Vorgaben in die Gegen-
wart. Ein reines Vergnügen für al-
le Musikliebhaber, die Authentizi-
tät schätzen.
G.F.
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Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
STEREO 4/2014 133